Ich habe in meinem letzten Blog zu Impfungen einen Fehler gemacht, den ich gleich zu Anfang korrigieren will. Die tiefere Analyse dieses Datensatzes führt mich aber zu dem Ergebnis, dass unsere ursprüngliche Analyse, die wir in „Vaccines“ publizierten und die dann vom Journal zurückgezogen wurde, durchaus stichhaltig ist.
Unsere „Vaccines“-Studie ist wieder publiziert
Sie ist jetzt wieder neu verfügbar [1], zusammen mit einem sehr lesenswerten Editorial des Herausgebers Dr. James Lyons-Weiler [2]. Wir haben die Arbeit in dessen Journal „Science, Public Health Policy, and the Law“ neu eingereicht. Sie wurde von drei Peer-Reviewern blind begutachtet. Wir haben drei Zyklen der Veränderung durchlaufen und jetzt ist die Studie wieder online. Die Substanz der Analyse ist unverändert. Die Interpretation und die Rahmung hat sich selbstverständlich verändert. Eine neue Studie im British Medical Journal zeigt, dass unsere ursprüngliche Mahnung zur sorgfältigen Dokumentation von Nebenwirkungen ihre Berechtigung hat.
Eine unserer Schlussfolgerungen in unserer Impfanalyse ist: Bevor wir eine Impfkampagne an Kindern beginnen, sollten wir erst die Nebenwirkungen dieser Impfstoffe genauer untersuchen. Der Grund hierfür ist einfach: Kinder sind kaum einer Gefährdung durch SARS-CoV-2 ausgesetzt. Aber die Gefahr durch Nebenwirkungen betrifft eben alle, die geimpft werden. Deswegen ist auch das Argument, das wir im Peer-Review-Prozess und anderswo öfter gehört haben, die „Number Needed to Vaccinate“ sei der falsche Kennwert, man müsse die Impfeffektivität nehmen, sachlich falsch.
Korrektur und neue Berechnung der NNTV
Aber zunächst zu meinem Fehler: Verschiedene Kollegen haben mich darauf hingewiesen, dass ich in der Analyse der Public-Health-England-Daten, die die Wirksamkeit der Impfungen bei der neuen Delta-Variante diskutiert, den gleichen Fehler gemacht habe, den ich anderen des Öfteren vorgeworfen habe: nämlich unstandardisierte Zahlen verwendet zu haben. Das stimmt und dafür entschuldige ich mich formell. Ich war etwas zu schnell. Man muss in der Tat die Anzahl der Fälle auf die Gesamtzahl der Geimpften hochrechnen, um keine verzerrten Werte zu erhalten. Daher wäre es gut, wenn alle, die damals meine Berechnungen verbreitet haben, auch diese neue Analyse verbreiten.
Ich stelle hier nochmals die Zahlen zusammen und rechne das gleichzeitig auf die Gesamtbevölkerung Englands hoch. Die Daten über die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs und der Impfdichte stammen von den Webseiten „Our World in Data“ und der ECDC. In der ersten Zeile der Tabelle unten sind die Zahlenwerte. Darunter gebe ich die normalisierten Werte an. Das bedeutet: Die mit Impfung Verstorbenen werden auf die Gesamtzahl der Geimpften bezogen, also 136/54.636.136, und, um die Zahl gut darstellbar zu machen, mit 100.000 multipliziert. Das bedeutet dann „normalisierte Anzahl der Todesfälle unter den Geimpften pro 100.000 Geimpfte“ und entsprechend dann auch für die Ungeimpften.
Geimpft UK gesamt (von 68.295.171 Einwohnern), ca. 80% | Ungeimpft UK gesamt, ca. 20% | Infiziert/ positiv getestet mit/auf Delta-Variante | Daran/ damit gestorben | Davon nicht geimpft (Normalisierter Anteil/100.000 Ungeimpfte) | Davon geimpft (Normalisierter Anteil/100.000 Geimpfte) |
54.636.136 | 13.659.035 | 123.620 | 257 | 92 | 136 |
(0,67) | (0,24) |
Man sieht: 0,67 Personen auf 100.000 Ungeimpfte sind gestorben und 0,24 auf 100.000 Geimpfte oder, um es ganzzahlig auszudrücken, 67 Personen von 10 Millionen Ungeimpfter sind gestorben und 24 von 10 Millionen Geimpfter. Also verleiht die Impfung, relativ gesehen, einen Schutz etwa um den Faktor 3 bzw. die Effektivität ist etwa 65 %.
Das sieht zunächst sehr gut aus. Aber wir müssen auch hier wieder über die absolute Zahl, also die Number Needed to Vaccinate (NNTV), nachdenken: Wie viele Menschen müssen geimpft werden, um einen Todesfall zu verhindern? Diese NNTV ist der Kehrwert der absoluten Risikodifferenz. Die absolute Risikodifferenz (ARD) ist die Differenz aus dem Risiko der Ungeimpften minus dem Risiko der Geimpften, also ARD = (0,67-0,24)/100.000 [die ARD muss als voller Dezimalwert ausgedrückt werden, weswegen sie am Ende durch die 100.000 geteilt wird].
Die absolute Risikodifferenz ist also ARD = (0,67-0,24)/100.00 = 0,43/100.000 = 0,0000043.
Der Kehrwert ist die NNTV: NNTV = 1/0,0000043 = 232.558. Wir müssen also etwas mehr als 200.000 Menschen impfen, um einen Tod mit der Delta-Variante zu verhindern. Die Daten stammen aus England und wir wissen nicht genau, wie lang die Beobachtungszeit der Geimpften war; sie war mit Sicherheit kürzer als die bei den Ungeimpften. Aber wir sehen: Unsere ursprüngliche Schätzung einer NNTV von ca. 16.000, die wir aufgrund der Studie von Dagan und anderer Studien ermittelt haben, ist nicht ganz daneben. Wir können ja einen Unsicherheitsfaktor von 10 einrechnen und die NNTV auf 25.000 korrigieren. Das würde bedeuten: Mit 100.000 Impfungen verhindern wir 4 Todesfälle mit der Delta-Variante.
Diese Rechnung kann man allerdings nur zu einer groben Abschätzung gebrauchen. Denn um sie wirklich zu verwenden, wie etwa in unserer ursprünglichen Analyse, dazu müssten die beiden Gruppen vergleichbar sein. Man müsste etwas über andere Basiswerte der Menschen in den Gruppen wissen, um sie statistisch anzugleichen, wie das Dagan und Kollegen gemacht haben [3]. All das geht hier nicht. Daher taugt diese Aussage vor allem zu einem: Festzustellen, dass die absolute Risikodifferenz, also die klinische Effektstärke, sehr klein ist. Daher ist die NNTV sehr groß; daher ist unsere ursprüngliche Analyse gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt. Und daher muss man die Kosten, also die Nebenwirkungen, sehr sorgfältig betrachten.
Ich erinnere daran: Wir hatten ursprünglich anhand der Dagan-Studie errechnet, dass wir 6 Todesfälle mit einer Corona-Impfung verhindern. Damals war uns vorgeworfen worden, die Beobachtungszeit sei zu kurz. Diese ist hier garantiert länger, auch wenn sie vielleicht immer noch nicht lang genug ist. Die klinische Effektivität, zumindest was die Delta-Variante angeht, ist nicht groß gestiegen, im Gegenteil. Wir hatten damals anhand des holländischen Pharmakovigilanzregisters 4,1 Todesfälle (pro 100.000 Impfungen) als Folge von Impfungen ermittelt. Nimmt man diese beiden Daten zusammen, dann halten sich Vorteil und Nachteil der Impfungen, was Todesfälle angeht, die Waage.
Ich hatte berichtet, dass unsere Analyse vom Journal „Vaccines“, wo sie publiziert worden war, nach einer knappen Woche wieder zurückgezogen wurde; aus meiner Sicht zu Unrecht. Vor allem zwei Vorwürfe hatte man uns gemacht: Die Beobachtungszeit sei viel zu kurz, da Impfungen ihre Wirkungen eher langfristig entfalten. Das ist richtig, aber wir haben nun mal keine längerfristigen Daten. Da England relativ früh und relativ gründlich begonnen hat, zu impfen, kann man davon ausgehen, dass in der Public-Health-England Studie die durchschnittliche Beobachtungszeit seit der Impfung etwas länger ist, dass also das eine Argument nicht mehr im gleichen Ausmaß zutrifft.
Der andere Vorwurf lautete, wir hätten unzulässiger Weise Todesfälle, die in der Adverse Reaction Datenbank berichtet worden waren, als kausal auf die Impfung zurückführbar betrachtet. Zu diesem Argument kann man geteilter Meinung sein. Menschen und Firmen, die ebenfalls zur Meldung verpflichtet sind, berichten nicht einfach so über Todesfälle, wenn es keinen Grund gibt. Aber eine strikte kausale Untersuchung findet natürlich bei diesen Lareb-Fällen nicht statt. Lyons-Weiler, der unsere Neupublikation mit einem Editorial versehen hat, hat es auf den Punkt gebracht [2]: Die Adverse Reaction Datenbanken sind entstanden als Ersatz für sorgfältige Nebenwirkungsstudien, weil man der Meinung war, man könne durch solche Pharmakovigilanz-Daten die Nebenwirkungspotenziale von Arzneien und Impfungen erkennen. Wenn nun plötzlich die Angaben in diesen Datenbanken nicht mehr so interpretiert werden dürfen, dann führt sich das ganze System selbst ad absurdum und die Logik der gesamten Forschung ist auf den Kopf gestellt.
Inzwischen hat sich in Holland einiges getan: Es gab eine außerparlamentarische Untersuchung und einen Bürgerdialog. Als dessen Konsequenz wurde ein neues, unabhängiges Impfnebenwirkungsregister speziell für die Corona-Impfungen aufgesetzt. Hier werden in der Tat fast alle Fälle ärztlich untersucht und verifiziert (persönliche Mitteilung von Wouter Aukema, der den Initiator dieser Datenbank persönlich kennt). Mit Stand 24.8.2021 sehen wir dort folgende Daten:
Impfdosen in Holland insgesamt (lt ECDC): | 20.947.050 |
Berichtete Todesfälle als Folge der Impfung: | 1.544 |
Todesfälle auf 100.000 Impfungen: | 7,4 |
Unsere ursprünglich aus der Lareb-Datenbank entnommene Zahl von 4,1 Todesfällen pro 100.000 Impfungen hat sich also durchaus als realistisch erwiesen und ist sogar gestiegen. Dr. Jochen Ziegler, der auf achgut.com bloggt, erwähnt, dass laut Paul Ehrlich Institut 2 Todesfälle auf 100.000 Impfungen zu erwarten sind und schätzt, dass es eher 4 sind, also genau das, was wir auch gefunden haben (weitere Links siehe dort). Aus all dem ergibt sich kein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Man könnte natürlich jetzt einwenden, dass die Impfung ja auch nicht auf die Delta-Variante angelegt sei, sondern auf das „normale“ SARS-CoV-2. Das ist zwar richtig, aber ebenso ist richtig, dass dieses ursprüngliche SARS-CoV-2 Virus kaum mehr irgendwo existiert, weil dieses Virus – wie fast alle Viren – rapide Mutationen durchmacht. Daher ist dies ein Hase und Igel-Rennen. Wenn wir den Impfstoff gegen die nächste Variante vorhalten, ist diese schon wieder mutiert und so weiter. Das bedeutet: Wir müssen die klinische Wirksamkeit eines Impfstoffes immer gegen die derzeit am meisten verbreitete Variante aufrechnen, wenn wir wissen wollen, ob der Nutzen das Risiko überwiegt.
Aus all diesen Gründen ist unsere ursprünglich zurückgezogene Arbeit immer noch aktuell und die darin erhobenen Forderungen ebenso. Dass auch die Folgerung zulässig ist, die Todesfälle und die schweren Nebenwirkungen sind kausal durch den Impfstoff verursacht, das zeigt eine neue Studie aus England.
Die neuen Daten aus dem British Medical Journal sind besorgniserregend
Vor Kurzem wurde eine neue Studie im British Medical Journal publiziert [4], die in den Medien oft falsch zitiert wurde (siehe auch hier). In ihr wurden mehr als 29 Millionen geimpfte Personen untersucht. Die Impfung fand irgendwann zwischen 1.12.2020 und 24.4.2021 statt, dem Untersuchungszeitraum. Damit ist die erste große Kohorte von Geimpften in England fast vollständig erfasst. Bei all diesen Menschen wurde nun die Zeit vor der Impfung, mindestens 29 Tage davor oder mehr, mit der Zeit nach der Impfung verglichen. Daten zu den interessierenden Typen von Nebenwirkungen (vor allem thrombotische Ereignisse, Krankenhauseinweisungen, Tod) bei diesen Menschen wurden mit der Hintergrundinzidenz dieser Krankheiten aus den Jahren zuvor (von 2015 bis 2019) verglichen, die aus einer großen Forschungsdatenbank errechnet wurden. Das bedeutet praktisch: Man kennt die Häufigkeit dieser Erkrankungen aus der Vorzeit, bei jedem Einzelnen und bei der Allgemeinheit und berechnet, ob und wie stark sie sich im Zeitraum der Impfungen verändert. Aus der englischen Impfdatenbank kann man sehr genau ersehen, wer zu welchem Zeitpunkt womit geimpft worden ist. Diese Daten wurden dann mit den Informationen zur Krankenhauseinweisung verbunden.
Daneben wurde auch erfasst, wer in diesem Zeitraum der Impfperiode zusätzlich zur Impfung, oder man muss sagen, trotz der Impfung, einen positiven SARS-CoV-2 Test hatte. Genau dieses Faktum wurde in verschiedenen Medien falsch dargestellt. Dies war kein Vergleich mit einer SARS-CoV-2-Infektion oder Covid-19 Erkrankung ohne Impfung, sondern es war eine Teilgruppe der Geimpften, die trotz Impfung positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren. Das ist wichtig zu verstehen.
Knapp 20 Millionen Menschen erhielten den Oxford-Impfstoff von Astra-Zeneca, etwa 9,5 Millionen erhielten den BioNTech-Impfstoff von Pfizer und 1,7 Millionen dieser Geimpften (es ist nicht klar, welche Impfstoffe diese erhalten hatten) wurden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Damit sind 6 % der Geimpften innerhalb der ersten 5 Monate nach der Impfung infiziert worden. Bei Genesenen ist diese Zahl sehr niedrig, nämlich 0,004 % (siehe). Diese Zahl von 6 % Infektionen bei den Geimpften entspricht der oft berichteten Impfeffektivität von 94 % in einem relativ kurzen Zeitrahmen. Wie groß diese Impfeffektivität oder die Infektionsrate in einem längeren Zeitrahmen ist, wird sich zeigen.
Wir sehen eine große Zahl von Krankenhauseinweisungen in dieser Population von Geimpften: 9.764 wegen Thrombocytopenie (also einer Verringerung der Thrombozyten), 23.390 wegen venösen Thromboembolien, 89.321 wurden wegen arterieller Thrombosen eingewiesen und 3.655 wegen anderer seltener Thrombosen. Das sind insgesamt 126.130 schwere Nebenwirkungen (wenn man eine Krankenhauseinweisung einmal pauschal als Indikator für eine schwere Nebenwirkung nimmt). Teilt man dies durch die etwas mehr als 29 Millionen Studienteilnehmer und multipliziert mit 100.000, um eine standardisierte Zahl zu erhalten, dann landen wir bei 433 schweren Nebenwirkungen bei 100.000 Geimpften.
Wenn man dies aufteilt, indem man die absoluten Ereigniszahlen aus der Ergebnistabelle 2 für die Hauptzielkriterien (also Thrombocytopenie, venöse und arterielle Thrombosen zusammengerechnet) pro Gruppe standardisiert, dann erhält man 82,5 Nebenwirkungsereignisse pro 100.000 Geimpfte für den Oxford Impfstoff, 131,8 solcher Ereignisse pro 100.000 Geimpfte für den BioNTech Impfstoff und 551,6 pro 100.000 Geimpfter, die infiziert wurden.
Unsere ursprüngliche Schätzung aus der holländischen Pharmakovigilanzdatenbank von 16 schweren Nebenwirkungen auf 100.000 Impfungen ist also eine deutliche Unterschätzung.
Von all den Menschen, die irgendwelche Nebenwirkungen erlebten, starben insgesamt 9.086. Das sind auf die Gesamtzahl gesehen 31 Todesfälle auf 100.000 Geimpfte. Nimmt man die Daten, die Ioannidis in seiner Übersichtsarbeit für England als absolute Sterblichkeitsrate für Menschen unter 65 Jahren nennt, die an Covid-19 erkrankten, so sind es dort 8,6 Todesfälle auf 100.000 Personen bei den unter 65-Jährigen [5]. In einer anderen Publikation nennt Ioannidis eine Infection Fatality Rate für England für die unter 70-Jährigen von 0,22%. Das wären 220 Tote innerhalb der ersten Corona-Welle pro 100.000 Personen in England [6]. Irgendwo dazwischen dürften die wahren Werte für eine Stichprobe wie diese hier liegen, aufgrund einer natürlichen SARS-CoV-2-Infektion zu versterben; denn die Leute in dieser BMJ-Studie waren im Durchschnitt zwischen 52 und 61 Jahre alt. Eine mittlere Schätzung wären vielleicht 100 Todesfälle auf 100.000 Personen. Damit wäre das Risiko, an einer natürlichen SARS-CoV-2 Infektion zu versterben, immer noch höher, als an den Nebenwirkungen einer Impfung zu sterben. (Gott sei Dank, muss man hinzufügen, denn sonst stünde es tatsächlich sehr schlimm.)
Aber man sollte folgendes nicht vergessen: Die Todesfälle, die in der „normalen“ Corona-Statistik gezählt werden, waren solche, die manchmal tatsächlich vom Virus verursacht waren, manchmal wären die Menschen gestorben und das Virus kam noch hinzu, manchmal war die Todesursache wohl auch, vor allem am Anfang, medizinische Fehlbehandlung. Das Risiko, an einer SARS-CoV-2 Infektion zu versterben, ist seit Beginn der Pandemie im Sinken begriffen. Wenn die Daten der BMJ-Studie extrapoliert werden und tatsächlich eine nicht zu unterschätzende Zahl Geimpfter wieder neu infiziert wird und dann schwere Symptome erleidet, dann halten sich Vorteile und Nachteile der Impfung sehr bald die Waage. Der Unterschied ist, dass die Impfung ein künstlicher Eingriff ist, juristisch gesehen eine Körperverletzung, die nur aufgrund informierter Zustimmung zulässig ist; die natürliche Infektion ist einer der vielen natürlichen Unglücksfälle, denen wir im Leben ausgesetzt sind. Wenn das Risiko der Infektion drastisch wäre, der Vorteil der Impfung eklatant, dann würde man kaum Zweifel anmelden. Aber die doppelte Situation eines weniger starken Risikos der natürlichen Infektion als ursprünglich befürchtet, und eines deutlich geringeren Vorteils der Impfung als erwartet, führt zu einer schwierigen Risiko-Nutzen-Abwägung. Diese können wir u.a. deswegen nicht gut genug durchführen, weil die Studien zur Nutzenabwägung, die dringend langfristige, verblindete Kontrollgruppen brauchen, fast alle mittlerweile entblindet und damit unbrauchbar sind [7].
Ich erinnere: Wir hatten 4 Todesfälle auf 100.000 Impfungen aus der Lareb-Datenbank ermittelt und aus der aktuellen holländischen Nebenwirkungsdatenbank ergeben sich 7,4 Todesfälle auf 100.000 Impfungen (da die meisten Personen in der englischen Studie doppelt geimpft sind, kann man die Standardisierungen auf 100.000 Impfungen und auf 100.000 Geimpfte nicht unbedingt vergleichen). Unsere ursprünglichen Schätzungen sind also eher konservativ gewesen, wenn man diese neuen englischen Daten ansieht.
Woran liegt es, dass diese englischen Zahlen so viel höher sind? Das sieht man an der Tabelle 3 der Publikation. Dort werden die „Incidence Rate Ratios“ (IRR) für unterschiedliche Nebenwirkungen und Zeitpunkte dargestellt, und zwar für die beiden verschiedenen Impfstoffe und für die Gruppe der Infizierten unter den Geimpften getrennt. Nochmals: Auch die Infizierten waren geimpft. An dieser Tabelle erkennt man: Die Inzidenzverhältnisse (also das Verhältnis der Inzidenz oder der Auftretenshäufigkeit einer Erkrankung nach der Impfung zu dem davor) sind für die einzelnen Impfungen manchmal leicht erhöht. Signifikant ist die Erhöhung beim Oxford-Vektor-Impfstoff für Thrombocytopenie (also eine Verringerung der Thrombozytenanzahl) nach 8-14 und nach 22-28 Tagen (jeweils um 33 % bzw. 26 %). Die Thromboemboliegefahr ist nur sehr schwach nach 14 Tagen um 10 % erhöht. Thromben in den Arterien sind bei diesem Impfstoff nicht zu beobachten. Aber die eher seltenen Gehirnvenenthrombosen kommen 4-fach häufiger vor nach 8-14 Tagen, sowie andere seltene Thrombosen (21 % erhöhtes Auftreten nach 8-14 Tagen). Der BioNTech-Impfstoff von Pfizer hat insgesamt ein freundlicheres Profil. Dort sieht man ein deutliches Signal bei den Hirnvenenthrombosen.
Das Drama spielt sich vor allem bei denen ab, die zwar geimpft sind, aber dann wieder infiziert werden: Bei dieser Gruppe sind die Inzidenzverhältnisse am Tag 0, also am Tag des positiven Tests, zwischen 23fach bis 115fach erhöht. (Hier ist die Publikation nicht ganz klar; bei den positiv Getesteten ist der Tag 0 offenbar der Tag der Testung, und nicht der Tag der Impfung, wenn ich den Text richtig verstehe.) Das würde bedeuten: Wenn Geimpfte dann nochmals an SARS-CoV2 erkranken, was bei 6 % der Fall ist, dann ist das Risiko, eine dieser Nebenwirkungen zu erleben sehr hoch. Das ist auch kein Wunder, denn das, was im Fall der Impfung als Nebenwirkung aufscheint, ist bei der Covid-19 Erkrankung als mögliche Komplikation schon eine Weile bekannt [8-10].
Mit dieser Studie ist auch klar, dass die kausale Zuweisung der Nebenwirkungen und Todesfälle an die Impfung und an die trotz Impfung erfolgende Infektion zulässig und wissenschaftlich belegt ist.
Um es nochmals deutlich zu sagen: Es sind nicht die Nicht-Geimpften, die dann krank werden und die daher ein höheres Risiko hätten, wie das manche Medien berichtet hatten, offenbar auch die Tagesschau, sondern dies sind die Geimpften, die dann trotz Impfung infiziert werden. Wir überblicken hier nur 6 Monate der Impfperiode. Wie wird es wohl werden, wenn wir länger untersuchen?
Der deutsche Arzt und E-Mail-Aktivist Johannes Kreis weist in einem „Rapid Response“ und in einer Rundmail auch noch auf ein weiteres Problem hin, das sich aus seiner Korrespondenz mit der Erstautorin ergibt: Die exakte zeitliche Festlegung der Expositionspunkte Impfung oder Infektion haben offenbar eine Unsicherheit von fast einem Monat. Insofern könnten manche der Symptome oder Probleme bei der Gruppe der „Geimpften und anschließend Infizierten“ auch ganz einfach eine direkte Konsequenz der Impfung oder eine impfungsinduzierte Krankheit sein. Wir können es aufgrund der Studie nicht sagen.
Auf jeden Fall können wir aufgrund dieser Studie mehrere Schlüsse ziehen:
- Unsere ursprünglichen Schätzungen von Risiken und Nebenwirkungen abgewogen gegen die Vorteile sind nicht so abwegig, wie sie vielen erschienen. Die Zahlen jedenfalls, die wir als Nebenwirkungspotenzial aus der holländischen Pharmakovigilanz-Datenbank geschätzt haben, bestätigen sich in dieser Fallkontrollstudie, bei der jeder Fall seine eigene Kontrolle darstellte und bei der daher die Folgen kausal auf die Impfung zurückzuführen sind.
- Die Impfung schützt vor Infektionen, aber dieser Schutz hat seinen Preis und er ist nicht vollkommen. Bei denen, bei denen er nicht funktioniert ist die Gefahr einer schweren Erkrankung um ein Vielfaches gegenüber der Zeit davor erhöht.
- Die Impfung als „sicher“ und „unbedenklich“ anzupreisen, dafür mit Bratwürsten, Freibier und Weinschorle zu werben (das passiert in Österreich: „Spritze und Spritzer“) ist nicht mit den wissenschaftlichen Daten kompatibel.
- Und nochmals muss man die Frage stellen: Ist es tatsächlich richtig, dass wir diese Impfung „brauchen“? Wäre es nicht angemessen, aufgrund dieser Daten deutlich zu machen, welche Risiken man in Kauf nehmen muss bevor man die Vorteile anpreist? Und vor allem sie dann denen freizustellen, die dieses Risiko lieber in Kauf nehmen als das einer Infektion?
- Angesichts der Tatsache, dass diese Impfstoffe alles andere als unbedenklich sind, sollte die Impfkampagne bei Kindern und Jugendlichen hinterfragt werden. Kinder sollten auf keinen Fall geimpft werden, solange wir keine Sicherheit darüber haben, dass die Impfstoffe unbedenklich sind. Je mehr Daten wir sehen, desto weniger scheint mir diese Sicherheit gegeben.
Quellen und Literatur
- Walach H, Klement RJ, Aukema W. The Safety of COVID-19 Vaccinations — Should We Rethink the Policy? Science, Public Health Policy, and the Law. 2021;3:87-99.
- Lyons-Weiler J. If Vaccine Adverse Events Tracking Systems Do Not Support Causal Inference, then “Pharmacovigilance” Does Not Exist. Science, Public Health Policy, and the Law. 2021;3:81-6. https://cf5e727d-d02d-4d71-89ff-9fe2d3ad957f.filesusr.com/ugd/adf864_4588b37931024c5d98e35a84acf8069a.pdf.
- Dagan N, Barda N, Kepten E, Miron O, Perchik S, Katz MA, et al. BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Mass Vaccination Setting. New England Journal of Medicine. 2021;384:1412-23. doi: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2101765.
- Hippisley-Cox J, Patone M, Mei XW, Saatci D, Dixon S, Khunti K, et al. Risk of thrombocytopenia and thromboembolism after covid-19 vaccination and SARS-CoV-2 positive testing: self-controlled case series study. BMJ. 2021;374:n1931. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.n1931.
- Ioannidis JPA, Axfors C, Contopoulos-Ioannidis DG. Population-level COVID-19 mortality risk for non-elderly individuals overall and for non-elderly individuals without underlying diseases in pandemic epicenters. Environmental Research. 2020;188:109890. doi: https://doi.org/10.1016/j.envres.2020.109890.
- Ioannidis J. The infection fatality rate of COVID-19 inferred from seroprevalence data. Bulletin of the World Health Organization. 2021;99:19-33F. doi: 10.2471/BLT.20.265892.
- Doshi P. Covid-19 vaccines: In the rush for regulatory approval, do we need more data? BMJ. 2021;373:n1244. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.n1244.
- Kowarz E, Krutzke L, Reis J, Bracharz S, Kochanek S, Marschalek R. „Vaccine-Induced Covid-19 Mimicry” Syndrome: Splice reactions within the SARS-CoV-2 Spike open reading frame result in Spike protein variants that may cause thromboembolic events in patients immunized with vector-based vaccines. Research Square. 2021. doi: https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-558954/v1.
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