Glyphosat und andere unbekannte Grössen

Das Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zur Unbedenklichkeit von Glyphosat sei zu großen Teilen von den Herstellerangaben plagiiert worden, schreibt die Zeitung „Tagesspiegel“ vom 6.10.17. Was das genau bedeutet, stand nicht drin. Wenn nämlich z.B. faktische Informationen wie die Zusammensetzung etc. kopiert worden sind, ist das ja nicht weiter tragisch. Aber ich gehe mal davon aus, dass auch Bewertungs- und Risikoinformationen zu den kopierten Inhalten gehören. Das BfR teilt auf seiner Webseite mit, das sei normale Praxis.

Ich nehme diese kleine Randnotiz (Achtelspalte im Wirtschaftsteil) aber zum Anlass, um auf eine andere Information hinzuweisen, die mich kürzlich erreicht hat. Es handelt sich um einen schon etwas älteren Artikel, den Swanson und Kollegen 2014 in einem randständigen Journal, ohne Digital Object Identifyer (DOI) publiziert haben [1]. Dass der Aufsatz in diesem Journal erscheint und nicht in einem größeren, kann mehrere Ursachen haben: Entweder die Autoren wollen die Assoziation unterstützen, die das Journal produziert, die non-profit Organisation „Center for Agriculture and Biosciences International“ (CABI); oder die Information ist viel zu heiss für andere Journals; oder die Autoren haben etwas falsch gemacht oder nicht gut genug ausgewertet oder sind Gutachterwünschen von anderen Journals nicht nachgekommen; oder aber sie hatten keine Lust sich den Mühen des wissenschaftlichen Publizierens zu unterziehen.

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Im Dienste der Gesundheit oder des Geldes? – Eine neue Analyse zu Arzneimittelentwicklungskosten und Einnahmen

Kosten für Krebsmedikamente, neue Cytostatika oder Immuntherapeutika sind enorm. 100.000 US$ bis 200.000 US$ pro Jahr sind eher die Regel als die Ausnahme. Wenn die Medikamente auf dem Markt sind, übernehmen die Kassen die Kosten ohne mit der Wimper zu zucken. Die Medikamente erhalten eine Zulassung, wenn Studien zeigen können, dass sie besser sind als bereits vorhandene Präparate oder als Placebo, oder mindestens gleich gut und dazu ein paar Vorzüge aufweisen können, etwa ein besseres Verträglichkeitsprofil. Warum diese Medikamente so teuer sind? Schuld daran seien die hohen Entwicklungskosten, sagt die Industrie.

Schuld daran seien die hohen Entwicklungskosten, sagt die Industrie.

Diese Behauptung entlarvt eine neue Publikation in JAMA Internal Medicine als ziemlich dreiste Lüge [1]. Dass die Kommunikationen der pharmazeutischen Industrie nicht von moralischen Maßstäben geprägt sind, wissen wir aus verschiedenen Publikationen schon lange [2, 3]. Genauer gesagt kann man davon ausgehen, dass Lügen der operative Modus ist, der im Neusprech dann als „günstig präsentieren“, „die positive Botschaft herausstellen“ etc. erscheint [4, 5].

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Bröckelnde Mythen – Der Cholesterin-Mythos schmilzt dahin: Ein Lust- oder Schelmenstück in 5 Akten (Teil 2 – Akt 4-5)

Medizinische Mythen schmelzen dahin. Das habe ich bereits in Bezug auf den Mythos der biologischen Psychiatrie, dass psychische Störungen reine Gehirnkrankheiten sind, gezeigt. Den Artikel zum Cholesterin-Mythos [Teil 1 – Akt 1-3] – schliesse ich heute mit Akt 4 und 5 ab.
4. Akt – Die Verwirrung um das Cholesterin und die Lipidsenker: Heilsame Medizin … Weiterlesen

Bröckelnde Mythen – Der Cholesterin-Mythos schmilzt dahin: Ein Lust- oder Schelmenstück in 5 Akten (Teil 1 – Akt 1-3)

Im letzten Beitrag https://harald-walach.de/2016/12/06/rezepte-gegen-die-angst-lebensstil-und-ernaehrungstherapie-bei-depression-und-angsstoerungen/ habe ich gezeigt, wie der Mythos der biologischen Psychiatrie, dass psychische Störungen reine Gehirnkrankheiten sind, zu bröckeln beginnt. Aber auch andere medizinische Mythen schmelzen dahin. Heute: Der Cholesterin-Mythos Akt 1-3

Nur selten schafft es historische Forschung in den heiligen Gral der besten klinisch-medizinischen Zeitschriften. Die brandneue Arbeit von Kearns und Kollegen [1]  http://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/article-abstract/2548255 wurde aufgenommen und gleich durch ein flankierendes Editorial extra gewürdigt [2] http://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/article-abstract/2548251 .

Vorspiel

Die Arbeit zeigt an historischen Dokumenten aus der University of Illinois und der Harvard School of Public Health, dass die Zuckerindustrie ab 1960 begonnen hat, die Forschung manchmal subtil, manchmal durchaus erkennbar dahingehend zu beeinflussen, dass verstärkt Fett, vor allem gesättigte Fettsäuren, und weniger Zucker als der böse Bube der Ernährungsforschung in den Fokus genommen wurde. Was war geschehen? Anfang der 60er Jahre zeichnete sich ab, dass eine erhöhte Zufuhr von Zucker höchstwahrscheinlich einen wichtigen Anteil an der steigenden Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatte. Der britische Epidemiologe John Yudkin hatte diesen Gedanken verbreitet und die Daten sprachen dafür. Auf der anderen Seite standen Verfechter der Lipidhypothese wie Ancel Keys, die dachten, Fette, vor allem gesättigte Fettsäuren aus tierischen Quellen, wie Butter, Schmalz, Käse, Wurst, Fleisch, Eier, seien der Sündenbock. Wie wir heute wissen setzte sich Ancel Keys durch und schrieb bei allen Ernährungsrichtlinien in den USA fleißig mit, und wie wir auch wissen, waren die Daten, aufgrund derer dies geschah dünner als das erste Eis im Dezember [3]. Was wir nicht wissen, ist wie es dazu kam, und das beschreibt dieser Artikel minutiös.

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Krebs: die modernen Mythen von der Macht unserer Medizin

Ich bin in letzter Zeit gleich mehrfach mit dem Thema „Krebs“ konfrontiert worden. Eine Studienkollegin, die mit mir studiert hat und ein Jahr jünger ist als ich, verstarb gerade an Krebs; letzte Woche war ich bei ihrer Abdankungsfeier. Die Chemotherapie konnte ihr noch etwas an Lebenszeit schenken, aber geheilt wurde sie nicht.

Anlässlich des Journal Clubs unserer Zeitschrift „Forschende Komplementärmedizin“, den man übrigens frei herunterladen kann, habe ich mich mit den Studien beschäftigt, die der homöopathische Arzt und Internist Prof. Frass in Wien gemacht hat. Er hat, kurz zusammengefasst, die erste größere Kohorte Krebspatienten untersucht, die er zusätzlich zur konventionellen Behandlung mit Homöopathie behandelt hat – und sie in einem historischen Vergleich konventionell behandelten Patienten gegenübergestellt [1]. Dabei hat er nur solche Krebsarten genommen, die eine extrem schlechte Prognose hatten. Er fand dabei einen statistisch gesicherten Überlebensvorteil.

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