In Basel, wo ich fast 20 Jahre gewohnt habe, erzählt man sich viele Geschichten und Witze über den „Daig“ – „den Teig“, die alten Basler Patrizier, die anders reden als die anderen und über Jahrhunderte hinweg die wirtschaftlichen und politischen Geschicke der Stadt bestimmt haben. Die Merians und Burckhardts gehören genauso dazu wie die Sarasins, heute Bankiers, früher ein berühmtes Händlergeschlecht. Sie waren Migranten und Asylsuchende der damaligen Zeit, vertrieben aus Lothringen, weil der französische König keine „Reformierten“ oder „Hugenotten“, also nicht-katholische Christen, die der Lehre Calvins folgten, in seinem Reich dulden wollte [1].
Nachdem Frankreich ihnen im Edikt von Nantes 1598 Religionsfreiheit zugestand, blieben sie dort später wieder für ein knappes Jahrhundert geduldet Vor 300 Jahren, am 1.September 1715 starb Ludwig XIV., der Sonnenkönig. Eine seiner infameren Aktionen, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist, war die Aufhebung dieses Edikts von Nantes im Jahre 1685. Das löste die größte Migrationswelle der Neuzeit vor den Vertreibungen der Menschen im und nach dem 2. Weltkrieg aus, sieht man einmal von den zwangsweise als Sklaven verfrachteten Afrikanern ab. Hunderttausende Hugenotten flohen – unter Lebensgefahr, denn die Flucht war verboten – in umliegende Länder, nach Holland, in die Schweiz und nach Hessen.
Ein bettelarmes Land am Ostrand des Deutschen Reiches hieß die Flüchtlinge explizit willkommen: Preussen. Diese Asylpolitik Friedrichs des Großen begründete u.a. die spätere Prosperität Preussens. [2] Denn die Neuankömmlinge waren ihrem neuen Landesvater gegenüber enorm loyal und dankbar. Viele führende Militärs, Handeltreibende, Fabrikanten in Preussen stammten von diesen französischen Migranten ab. Man erkannte und erkennt sie noch immer an ihrem französischen Namen, auch wenn diese manchmal eingedeutscht sind; der deutsche Namensvetter der Basler Sarasin schreibt sich beispielsweise Sarazin / Sarrazin.